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allzeit bereit, die Hugenotten niederzumachen. Herrgott im Himmel, Krieg ist was Schönes, aber ich will
mich für mein Vergnügen schlagen und nicht, weil mein Gegner am Freitag Fleisch ißt. Die Helden waren
weiser als wir. Auch sie hatten ihre drei Gottheiten, aber ihre Mutter Kybele erhob wenigstens nicht den
Anspruch, die beiden anderen geboren zu haben und dabei auch noch Jungfrau geblieben zu sein.«
»Monsieur!« protestierte Roberto, während die anderen lachten.
»Monsieur«, erwiderte Saint-Savin, »die erste Qualität eines Mannes von Ehre ist die Verachtung einer
Religion, die will, daß wir Furcht vor der alternatürlichsten Sache der Welt haben, nämlich vor dem Tod,
und Haß auf das einzig Schöne, was uns das Schicksal gegeben hat, nämlich das Leben, und Hoffnung
auf einen Himmel, in dem in ewiger Seligkeit nur die Planeten wohnen, die sich weder eines Lohnes noch
einer Verdammnis erfreuen, sondern nur ihres ewigen Kreisens in den Armen der Leere. Seid stark wie
die Weisen im alten Griechenland und seht dem Tod mit festem und furchtlosem Blick ins Auge. Jesus
hat zuviel geschwitzt, als er ihn erwartete. Was hatte er schon zu befürchten, wo er doch ohnehin
auferstehen sollte?«
»Das reicht, Monsieur de Saint-Savin«, sagte ein Offizier fast gebieterisch und ergriff seinen Arm.
»Erschreckt unseren jungen Freund nicht so, er weiß noch nicht, daß gottloses Reden heutzutage in Paris
die exquisiteste Form des bon ton ist, und er könnte Euch ernst nehmen. Geht auch Ihr jetzt schlafen,
Monsieur de La Grive. Ihr wißt, daß der liebe Gott gnädig genug ist, auch Monsieur de Saint-Savin zu
verzeihen. Wie sagte doch jener Theologe: Stark ist ein König, der alles zerstört, stärker ist eine Frau,
die alles erhält, noch stärker jedoch ist der Wein, der die Vernunft ersäuft.«
»Ihr zitiert nur die Hälfte«, lallte Saint-Savin, während er von zwei seiner Kameraden fast mit Gewalt
hinausgeschleppt wurde. »Das Diktum wird der ZUNGE in der Fabel zugeschrieben, und die hatte
hinzugefügt: Am stärksten jedoch ist die Wahrheit, und ich bin es, die sie sagt. Und meine Zunge, auch
wenn ich sie jetzt nur noch mit Mühe bewegen kann, wird nicht schweigen. Der Weise muß die Lüge
nicht nur mit Degenstößen, sondern auch mit Zungenhieben bekämpfen. Freunde, wie könnt ihr einen
Gott gnädig nennen, der unser ewiges Unglück will, bloß um seinen sporadischen Zorn zu besänftigen?
Wir sollen unserem Nächsten vergeben, und er nicht? Und ein so grausames Wesen sollen wir lieben?
Der Abbé hat mich einen Pyrrhonisten genannt, aber wir Pyrrhonisten, wenn er s denn so will, wir
kümmern uns immerhin um die Opfer dieses Betrugs. Einmal haben wir zu dritt Rosenkränze mit
obszönen Medaillen unter die Damen verteilt. Wenn Ihr wüßtet, wie fromm die von jenem Tage an
wurden!«
Er wankte hinaus, begleitet vom Gelächter der ganzen Runde, und der Offizier kommentierte den
Abgang: »Wenn nicht Gott, so wollen doch wenigstens wir seiner Zunge vergeben, da er einen so guten
Degen führt.« Dann sagte er zu Roberto: »Seht zu, daß Ihr ihn als Freund behaltet, widersprecht ihm
nicht mehr als nötig. Er hat in Paris mehr Franzosen wegen theologischer Fragen niedergestreckt als
meine Kompanie in diesen Tagen Spanier. Ich hätte ihn ungern während der Messe neben mir, aber ich
würde mich glücklich schätzen, ihn auf dem Schlachtfeld an meiner Seite zu wissen.«
So zu ersten Zweifeln erzogen, sollte Roberto am nächsten Tag weitere kennenlernen. Er war in jenen
Flügel des Kastells zurückgekehrt, in dem er die beiden ersten Nächte mit seinen Monferrinern
verbracht hatte, denn er wollte seinen Beutelsack holen, aber er hatte Mühe, sich zwischen den diversen
Innenhöfen und Korridoren zurechtzufinden. Er schritt gerade durch einen von ihnen und merkte, daß er
sich geirrt hatte, als er am Ende einen trüben Spiegel sah, in dem er sich selbst erblickte. Doch als er
näher hinging, entdeckte er, daß jenes sein Spiegelbild zwar seine Gesichtszüge hatte, aber grellbunte
Kleider nach spanischer Sitte trug und die Haare in einem Haarnetz hatte. Und nicht nur das, auf einmal
war jenes Spiegelbild nicht mehr vor ihm, sondern verschwand zur Seite.
Es hatte sich also gar nicht um einen Spiegel gehandelt. Tatsächlich stellte er fest, daß es ein Fenster mit
staubigen Scheiben war, das auf ein äußeres Glacis hinausging, von dem aus man über eine Treppe in
den Hof gelangte. Mithin hatte er nicht sich selbst gesehen, sondern einen anderen, der ihm sehr ähnlich
war und dessen Spur er nun verloren hatte. Natürlich dachte er sofort an Ferrante. Jawohl, Ferrante war
ihm nach Casale gefolgt oder vorausgeeilt, vielleicht befand er sich in einer anderen Kompanie desselben
Regiments oder in einem der französischen Regimenter, und während Roberto sein Leben in jenem Fort
vor den Mauern riskierte, betätigte er sich, wer weiß wie, als Kriegsgewinnler!
Doch da Roberto inzwischen dazu neigte, über seine kindlichen Phantasien vom bösen Doppelgänger-
Bruder zu lächeln, kam er beim Nachdenken über seine Vision bald zu dem Ergebnis, daß er wohl nur
jemanden gesehen hatte, der ihm irgendwie ähnlich sah.
Er wollte den Vorfall vergessen. Jahrelang hatte er von einem unsichtbaren Bruder phantasiert, und an
diesem Abend hatte er ihn zu sehen geglaubt, doch gerade - sagte er sich im Versuch, mit seiner
Vernunft seinem Herzen zu widersprechen - wenn er jemanden gesehen hatte, konnte dieser jemand
keine Einbildung sein, und da Ferrante ja Einbildung war, konnte der jemand, den er gesehen hatte, nicht
Ferrante sein.
Ein Magister der Logik hätte sicherlich Einwände gegen diesen paralogischen Schluß erhoben, doch für
Roberto mochte er vorerst genügen.
Große Kunst des Lichts und der Schatten
Nachdem er seinen Brief den ersten Erinnerungen an die Zeit der Belagerung gewidmet hatte, fand [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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